Künstliche Intelligenz – Fluch und Segen

Monika Ruppe berichtet über das Erasmus+ finanzierte Lehrerseminar „Integrating AI in the Classroom with Critical Thinking“ in Amsterdam.

Eine Woche Leben und Lernen in Amsterdam: Ein Ausflug in die Lernwelt der spannender nicht sein kann. Erasmus+ ermöglicht und unterstützt nicht nur die Praktika unserer Lernenden im EU-Raum, sondern auch die Kurse und Weiterbildung unserer Lehrkräfte in den europäischen Städten.

 

Wenn man mich fragt, warum ich ausgerechnet den Kurs über Künstliche Intelligenz und die Einbettung in die Lehre in Amsterdam für mich ausgesucht habe, dann fällt mir die Antwort besonders leicht:

Was wird die Zukunft in den nächsten Jahren stärker beeinflussen als die Künstliche Intelligenz?

Und wenn es die Zukunft beeinflusst, dann sicher auch die Bildung. Dazu haben mich im letzten Schuljahr die Lernenden mit ihrem Wissen zu KI-Anwendungen überrascht, überholt und fasziniert. Während ich noch meine ersten Schritte machte, waren sie schneller, probierten aus und muss man ehrlicherweise dazu sagen, gaben sie unüberlegt ein „Copy-Paste-Gestammle“ ab. Dazu mein liebstes Beispiel aus unzähligen erhalten E-Mails: „Ich hoffe Ihnen geht es gut bzw. diese E-Mail erreicht Sie bei guter Gesundheit.“ als wortgewandter Anfang. Nach längerer Zeit im englischsprachigen Raum braucht es keinerlei großartige Sprachkenntisse, um die direkte Übersetzung zu erkennen und sich zu fragen: Wer bedient sich dieser Floskel in unserer Region? Überhaupt scheint sich die Sprache und Ausdrucksstärke meiner Schüler:innen in einem Jahr unglaublich verbessert zu haben, aber leider bleiben diese Verbesserungen in einer festgezurrten sprachlichen Bubble stecken und die Wendungen und Ausdrücke verändern sich nach diesem Sprung nicht mehr.

Mein Auftrag also: Die Lerndenden in Zukunft besser in den unzähligen Tools der Künstlichen Intelligenz schulen; mit Konzentration auf den wichtigsten Teil der Lehre – dem kritischen Hinterfragen von Ergebnissen.

Dabei ist „Critical Thinking“ nicht nur für mich eine der wichtigsten Kompetenzen, sondern führt auch die Liste der „21st Century Skills“ an. Das Training in Amsterdam versprach genau meinen Auftrag abzudecken. Die ersten drei Tage wurden wir nicht nur mit Apps, sondern mit Informationen rund um die Künstliche Intelligenz gefüttert. Der KI-Chatbot, der den Partner ersetzt, „EMO“, das KI-Haustier, ein Stimmenbot, der erkennt, wie man sich fühlt und dazu psychotherapeutische Unterstützung bietet und Amica, die australische Roboterdame, die auf der Welt ist, um Menschen zu helfen. „Magic School“ und „School AI“, um die Arbeit der Lehrkräfte zu erleichtern, „Perplexity“ und „ThinkAny“, meine Lieblingsdienste, und „Suno“ (KI für Musikstücke) und „Elevenlabs“ (Vorlesen und Übersetzen durch KI in allen erdenklichen Sprachen) für unterhaltsame, auflockernde Inhalte.

Genauso unterhaltsam war auch der Austausch mit den Lehrerkolleg:innen aus Portugal, Spanien, Deutschland, Italien, Zypern und Polen.

Alle berichten sowohl von ihren Sightseeing-Erfahrungen in Amsterdam, als auch von ähnlichen Herausforderungen der Lehre mit KI und mit ihren Lernenden. So unterschiedlich die Länder, so gleichartig die Jugendlichen. Kurze Aufmerksamkeitsspanne, minimalistisches Lernen und fehlende Motivation ergänzen hohe Anwendungskenntnisse in KI, sicheres Englisch und eine bunte Vielfalt an Kulturen Sprachen in den Schulen. Topplatziert die portugiesische Schule mit 46 unterschiedlichen Nationalitäten und Sprachen.

Spannend ist der Umgang mit dem Smartphone bzw. den schuleigenen Regeln

Hier nahmen Polen und Österreich einen Sonderstatus ein, denn in allen anderen Ländern war das Smartphone im Unterricht verboten. Auch in der Sekundarstufe II. Wenn Internet und KI, dann am schuleigenen PC, Laptop oder Tablet, aber kein Privatgerät mit Zugang zu Social Media. Keine Challenges, keine Reels, keine Chats als Antwort auf Mobbing während der Unterrichtszeit, überbordende psychische Probleme und haltlose Kinder, die auf die Informationsüberflutung durch emotionale Abriegelung reagieren.

Auch hier der Tenor: KI ist Fluch und Segen zugleich.

Der kritische Umgang mit Fake News, KI-Ergebnissen und Informationen ist dringend notwendig. Für den Herbst freu ich mich auf das neue Projekt „Embracing Technology“ an der HAK/HAS Lustenau, das uns in 2 Jahren zu einem KI integrierenden Unterricht mit „Critical Thinking“ ganz ohne „Social Media Distress“ führen soll. Eine Utopie? Wunschtraum? Ja vielleicht, aber Halluzinationen und Visionen muss man haben, sonst beginnen bald auch solche Berichte mit: Ich hoffe meine Worte finden Sie bei guter Gesundheit!