IT ist überall – und doch wissen wir so wenig darüber
Was machen IT-Experten eigentlich genau? Viele denken dabei nur ans Programmieren oder stundenlanges Sitzen vor dem Computer. Dass der Beruf viel vielseitiger ist, zeigt Elif Ceylan.
Sie arbeitet als SAP-Beraterin, lebt in der Türkei und unterstützt Firmen in Deutschland. In diesem Beitrag gibt sie einen Einblick in ihren Arbeitsalltag und erzählt, wie ihre Sparte der IT- Branche wirklich funktioniert.
Hiranur Kocaoglan aus der 3bK hat im Rahmen des CM3-Unterrichts ein Interview mit einer IT-Expertin durchgeführt und für eine Veröffentlichung vorbereitet.
Hiranur Kocaoglan:
Wie kann man sich den Alltag eines IT-Profis vorstellen? Was machen Sie genau in Ihrem Job?
Elif Ceylan: Der Arbeitstag als SAP-Beraterin beginnt bei mir meistens mit dem Lesen und Beantworten von E-Mails. Anschließend bereitet man sich auf die geplanten Besprechungen vor. Nach den Meetings kümmert man sich um die besprochenen offenen Punkte. Im weiteren Tagesverlauf arbeitet man entweder an gewünschten Entwicklungen oder analysiert und behebt akute systemseitige Probleme. Am Ende des Tages werden die nächsten Schritte und Meetings für den folgenden Tag oder die Woche geplant.
Arbeiten Sie eher allein oder im Team?
Ich arbeite überwiegend im Team. Es gibt Aufgaben, die zunächst analysiert und anschließend mit einem Entwickler für die technische Umsetzung besprochen werden müssen. Darüber hinaus beschäftigen uns viele bereichsübergreifende Themen – zum Beispiel Schnittstellen zwischen verschiedenen Systemen oder Prozessen – die nur in enger Zusammenarbeit mit anderen Fachpersonen zu einem erfolgreichen Ergebnis führen können.
Neben diesen Experten arbeite ich in einem Team, in dem wir Aufgaben aufteilen. Beispielsweise nehme ich Anforderungen vom Kunden auf, berate ihn zu möglichen Lösungen, bereite die Dokumentation vor und übergebe diese dem Entwickler. Danach übernimmt vielleicht ein Kollege das Testen der neuen Entwicklung und bespricht Fehler mit dem Entwickler. Zuletzt erfolgt ein Berater-Test, bevor das Programm dem Kunden übergeben wird. Diese Abläufe können sowohl selbstständig als auch im Team umgesetzt werden.
Können Sie ein einfaches Beispiel geben, was mit „Schnittstellen“ gemeint ist? Und was ist ein Berater-Test? Prüfen Sie selbst, ob alles funktioniert, bevor der Kunde es sieht?
Schnittstelle bedeutet die Verbindung bzw. Kommunikation zwischen zwei Software-Systemen. Das kann entweder zwischen gleichen Systemen oder zwischen unterschiedlichen Systemen sein. Ein Berater- Test ist eine Überprüfung, ob die neue Software oder Funktion genau so funktioniert, wie der Kunde es wollte. Man testet, ob alles richtig läuft, bevor die Lösung an den Kunden übergeben wird.
Arbeiten Sie meistens im Büro oder oft im Homeoffice und gibt es viele Meetings in Ihrem Job?
Seit der Pandemie arbeite ich – wie viele andere IT-Spezialisten – hauptsächlich im Homeoffice. Meetings gehören zum Alltag und finden regelmäßig statt.
Wie stressig ist Ihr Job?
Es gibt definitiv Tage, die sehr stressig sein können. Im SAP-Umfeld unterscheidet man zwischen zwei Bereichen: Erstens Neueinführung von SAP und zweitens laufender Support mit Weiterentwicklungen. In Einführungsprojekten ist es besonders in der Testphase und beim Go-Live sehr stressig. Im Supportbereich kann es zu kritischen Problemen kommen, die Produktionsstopps oder Versandverzögerungen verursachen – das hat oft direkte finanzielle Auswirkungen. Auch enge Deadlines können zusätzlichen Druck erzeugen.
Gibt es viele Überstunden oder lassen sich Arbeit und Privatleben gut vereinbaren?
Das hängt stark vom jeweiligen Bereich ab. Während der Neueinführung von SAP können Überstunden anfallen. Im laufenden Support sind Überstunden eher selten und die Work-Life-Balance ist in der Regel gut.
Welche wichtigen Karriereschritte haben Sie bisher gemacht?
Ich habe im Support begonnen und anfangs einfache, lösbare Probleme im 2nd-Level bearbeitet. Nach etwa 1,5 Jahren habe ich in den 3rd-Level gewechselt, komplexere Probleme übernommen und neue Entwicklungen umgesetzt. Anschließend war ich als Teamleiterin tätig – dabei war ich sowohl für fachliche Themen als auch für die Teamorganisation zuständig und habe Aufgaben verteilt sowie an das Management berichtet. Zuletzt habe ich als Projektleiterin Verantwortung für Budget, Zeitpläne und Projektdurchführung übernommen.
Was bedeutet 2nd- und 3rd-Level-Support? Was genau machen Sie da?
2nd Level Support: Hier unterstützen SAP-Berater die Anwender, wenn es zu Problemen oder Fehlern kommt bei der Nutzung der Software. Es werden keine Einstellungen geändert oder Entwicklungen vorgenommen. Bei Fehlern kann es zum Beispiel daran liegen, dass man den Ablauf nicht genau kennt oder dass wichtige Daten im System fehlen.
3rd Level: hier unterstützen SAP-Berater bei komplexen Themen, wenn z.B. ein Fehler im Coding ist oder ein neuer Prozess eingeführt und implementiert werden soll.
Stimmt das Klischee, dass IT- Profis nur am Computer sitzen und kaum soziale Kontakte haben?
Das stimmt so nicht zumindest nicht in meinem Fall. Ich denke, das hängt eher vom Charakter ab. In meinen über 11 Jahren in der IT habe ich sowohl sehr kommunikative als auch eher introvertierte Kolleg*innen kennengelernt.
Was halten Sie als IT- Expertin vom geplanten Handyverbot an Schulen in Österreich?
Ich finde, Handys sollten ab einer bestimmten Klassenstufe erlaubt sein – nicht unbedingt wegen der IT-Kompetenz, sondern aus Gründen der Erreichbarkeit. Technisches Verständnis und IT-Fähigkeiten sollten meiner Meinung nach gezielt durch Wahlfächer wie Robotik oder Informatik gefördert werden.
Können Sie durch Ihren Job viel reisen oder sind Sie an einen festen Arbeitsplatz gebunden?
Vor der Pandemie hatte ich viele Reisemöglichkeiten. Ich lebe in der Türkei, arbeite aber für Kunden in Deutschland, die oft auf persönliche Präsenz Wert gelegt haben. Auch Kolleg*innen in Deutschland waren regelmäßig auf Geschäftsreise, statt dauerhaft im Büro zu arbeiten. Da SAP-Beratung eine Dienstleistung ist, gehört Reisebereitschaft in vielen Unternehmen zu den Einstellungsvoraussetzungen.
Wie funktioniert das genau mit der Arbeit über Ländergrenzen hinweg? Welche Vorteile und Herausforderungen bringt das mit sich?
Ich arbeite in einer globalen Firma, die eine Geschäftsstelle in der Türkei hat und weltweit Kunden betreut z.B. in Großbritannien, Europa, im Mittleren Osten und in Nordafrika. In unterschiedlichen Ländern zu arbeiten, hat viele Vorteile, wie z.B. die eigene berufliche Weiterentwicklung, das Kennenlernen neuer Technologien, die Erweiterung des internationalen Netzwerkes und das Erlernen anderer Arbeitsdisziplinen. Als Herausforderung können Sprachbarrieren genannt werden, die die Arbeit erschweren.
Vielen Dank für das Interview, Frau Ceylan!
Infobox
SAP: Ein Computerprogramm, das Firmen hilft, ihre Arbeit zu ordnen. Z.B beim Einkaufen, Verkaufen, Bezahlen oder beim Planen von Aufgaben. Alle Abteilung in der Firma arbeiten so zusammen, damit nichts durcheinanderkommt.
Go-Live: Go-Live ist der Zeitpunkt, an dem die Software „erwachsen“ wird, also von der Testphase weg unter realen Bedingungen vom Nutzer eingesetzt werden kann.
Quellen: www.dictionary.cambridge.org; www.itsystemkaufmann.de